Heutzutage wurde es uns ermöglicht, durch die Rechtschreibprüfung unsere Fehler beim Schreiben auszumerzen. Aber in den Schulen gibt es größtenteils noch Prüfungen auf Papier, wo es keine Überprüfung gibt. Leider wird immer noch die Note auch nach der Rechtschreibung ausgelegt.
Natürlich müssen wir sie lernen und sollten uns auf eine Schreibweise einig sein, doch ist das Alleine aussagekräftig genug über die Qualität eines Textes?
Ist das die Rechtfertigung, Kinder mit Legasthenie zu quälen? Sie für dumm zu halten?
Legasthenie wird als Krankheit angesehen und Krankheiten müssen geheilt werden. Dir wird gezeigt, wie du dich verbesserst und wenn möglich “geheilt” wirst. Keiner zeigt dir, wie du im Alltag damit umgehst und es sogar als Kraft nutzen kannst.
In der Schule wird dir nur deine Fehlerkultur vor Augen geführt. So wird deine Beziehung zum Lesen und Schreiben nur verschlechtert. Kein Spaß und keine Leichtigkeit.
Und was passiert mit den Kindern, bei denen es nicht “geheilt” oder nicht erst diagnostiziert wird. Sie werden erstrecht für dumm gehalten und rutschen die schulische Leiter nach unten. Lernen macht keinen Spaß mehr!
Bei mir wurde die Legasthenie nie “geheilt”, doch ich hatte das Glück, dass sich meine Rechtschreibung durch das viele Lesen und später das Schreiben sehr stark verbessert hat. Im Abi habe ich nur noch genauso viele Fehler gemacht wie andere Schüler. Zusätzlich hatte ich nie die schwere Form von Buchstabenspringen.
Wieso leide ich trotzdem unter meiner Legasthenie? Und wieso bin ich nicht “geheilt”?
Der gemeinsame Grund ist, dass Legasthenie viele Facetten und Formen hat. Sie umfasst alles, was mit Sprache und Wörter zu tun hat, nicht nur die Rechtschreibung.
Mein Leid ist der Satz: “Als Oberstufenschülerin sind deine Texte in der Qualität wie aus der sechsten Klasse.” - Politiklehrer in der 11 Klasse (nicht Original formuliert)
Was hat dieser Satz mit mir gemacht?
Er ließ mich daran zweifeln, dass mein Manuskript gut war und ich überhaupt das Zeug zur Autorin hatte. Ich vergrub meinen Wunsch.
Auch heute noch geht es mir so, dass ich qualitativ besser rede als schreibe. Obwohl ich zu damals Fortschritte gemacht habe und weiter wachse.
Warum leidet also meine Qualität?
Es fühlt sich wie eine Barriere an, die die Worte in meinem Hirn abhält, in meine Hand zu gelangen. Meine Gedanken werden nicht wortwörtlich an mein Schreibhirn weitergeleitet.
Überlege ich mir in Gedanken einen Text, kommt er nie 100% so aufs Papier. Erst Recht nicht, wenn ich ihn nicht sofort aufschreibe. Aber auch dann gelingt es mir nicht, genau dieselben Worte zu benutzen.
Die Kommunikation in meinem Kopf wird von der Legasthenie verfälscht. Wie kann das bitte schön “geheilt” werden?
Mittlerweile kann man als Legastheniker:in eine Behinderungsstufe erlangen. Legasthenie als Behinderung zu sehen, ist nicht schön, macht aber einen Unterschied.
Denn Behinderungen müssen nicht geheilt werden, dir wird beigebracht, damit zu leben und vielleicht eine Verbesserung zu erwirken. Gleichzeitig ändert es die innere Akzeptanz und könnte den Unterschied für das Selbstwertgefühl machen.
Aber dieses Wort hat zu viele negative Assoziationen, als das Legastheniker:innen es als solches bezeichnen würden.
Wie würden Menschen darauf reagieren, wenn ich sagen würde, ich bin Para-Autorin? So wie die Paralympischen Spiele. Denn Legasthenie ist keine geistige Einschränkung, sondern eine andere Vernetzung des Gehirns, also körperlich.
Ich nehme Legasthenie immer noch als Krankheit an, weil es die Mehrheit so macht. Es als Behinderung zu sehen, macht mir Angst. Angst vor der Reaktion in der Öffentlichkeit. Deswegen denke ich eher über Wortspiele, wie Legatorin (Lega von Legasthenie und torin von Autorin) nach, als über Paratorin (Para von lat. neben und torin von Autorin).
Ich fange an, meine Legasthenie anders zu betrachten. Mich mit ihr anzufreunden, anstatt mit ihr Krieg zu führen. Dieser Krieg ging 10 Jahre lang und der Frieden stand lange auf der Kippe, doch dieses Jahr fange ich an, mich für sie einsetzen zu wollen. Ein Vorbild war ich nie. Ich habe keine Ahnung, wie das geht. Aber ich weiß, dass ich meine Legasthenie nicht verstecken möchte. Und dass sie kein Grund ist, keine Autorin zu werden bzw. zu sein.
Lang genug hat das Schulteufelchen auf meiner Schulter gesessen. Hat mich klein gemacht und ließ meinen Traum unerreichbar wirken.
Schon alleine deswegen ist die Veröffentlichung von Venganza ein großer Schritt und Sieg für mich.
Wann können wir stolz sein Legatoren zu sein? Wann wird es so viele von uns geben, dass wir eine Gemeinschaft sein können? Dass wir zu Vorbildern für Kinder mit Legasthenie werden können?
Sie müssen nicht alle Autoren werden, es geht darum ihnen zu zeigen, dass du auch mit Legasthenie etwas erreichen kannst. Sogar bei einer Achillesferse der Legasthenie selbst: Das Schreiben eines Romans.
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